Werbung für Verfahren und Behandlungen nach dem Heilmittelwerbecht


Verfahren und Behandlungen


Die Beschränkungen des Heilmittelwerberechts gelten auch für Verfahren und Behandlungen. Heilmittelwerberechtlich relevante Verfahren und Behandlungen sind nach der Rechtsprechung


•   Kinesiologische Behandlungen (OLG Hamm v 20.5.2014 – 4 U 57/13 - Heilmittelwerbung mit fachlich umstrittenen Wirkungsan-gaben)
•   der Besuch einer Salzgrotte (OLG Saarbrücken v. 19.12.2018 - 1 U 41/18 - Besuch in der Salzgrotte)
•   (Augen-)akupunktur, Sauerstofftherapie (OLG Jena v. 22.4.2015 – 2 U 723/14 – Augenakupunktur)
•   Osteopathie-Behandlungen (OLG Frankfurt v. 21.6.2018 – 6 U 74/17 - Craniosakrale Osteopathie)
•   Cellulitebehandlung durch „Akustische Wellentherapie“ (KG Berlin v. 27.11.2015 – 5 U 20/14 - Irreführende Werbung für Cellulite-Behandlungen)

Irreführende Erfolgsversprechen nach § 3 S. 2 Nr. 2 a) HWG für Verfahren und Behandlungen


Eine Irreführung nach § 3 S. 2 Nr. 2 a) HWG liegt besonders dann vor, wenn fälschlich der Eindruck erweckt wird, dass der Erfolg eines Heilmittels mit Si-cherheit erwartet werden kann. Verboten ist nicht das Versprechen eines Erfolgs an sich, sondern das Hervorrufen des Eindrucks, dieser sei sicher. Ob ein solcher Eindruck erweckt wird, hängt vom Verständnis eines durchschnittlichen Werbeadressaten ab und erfordert keine ausdrückliche Garantie in dem Sinne, dass ein sicherer Erfolg immer zu erwarten ist (OLG Düsseldorf v. 24.2.2022 – I-20 U 292/20 – Werbung eines Heilpraktikers mit einer Krankengeschichte). Es reicht aus, wenn der Eindruck erweckt wird, meistens könne ein sicherer Erfolg eintreten.


Weitere Beispiele 

•   Die Werbung eines Heilpraktikers mit einer Erfolgsgeschichte mit den Worten

„Schmerzfrei nach vielen Jahren furchtbaren Leidens
[Name] ist unendlich glücklich und dankbar, dass er nach Behandlung in der Praxis von Heilpraktiker [Name] seine Schmerzen los ist.“


Denn auch wenn die Krankengeschichte zutreffend gewesen sein sollte, nimmt der Verbraucher irrig an, die Behandlung könne bei vergleichbaren Leiden auch ihm mit Sicherheit helfen
(OLG Düsseldorf v. 24.2.2022 – I-20 U 292/20 – Werbung eines Heilpraktikers mit einer Krankengeschichte).

•   Eine Werbung für eine Zahnspange mit den Worten


"perfekte Zähne"

ist irreführend, weil hier auch ein objektiver Behandlungserfolg ver-sprochen wird, nämlich gerade Zähne (OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 27.2.2020 – 6 U 219/19 - perfekte Zähne). 


Werbeverbote für operativen plastisch-chirurgischen Eingriffe nach § 11 Abs. I. 3 HWG mit Vorher-Nachher-Bildern


Verbot der vergleichenden Darstellung für nicht notwendige Chirurgie

Für die operativen plastisch-chirurgischen Eingriffe darf mit der Wirkung einer solchen Behandlung durch vergleichende Darstellung des Körperzustandes oder des Aussehens vor und nach dem Eingriff nicht geworben werden. "Plastische Chirurgie" ist medizinisch nicht notwendige Chirurgie, beispielsweise
•   eine Haarverpflanzung (LG Berlin v. 12.7.2018 - 52 O 135/18 - Hair Clinic)
•   eine Gesäßvergrößerung, "Brazilian Butt Lift" (OLG Düsseldorf v. 17.2.2022 – 15 U 24/21 - Brazilian Butt Lift) oder
•   Hautunterspritzungen mit Hyaluron-Säure (OLG Köln, Urteil vom v. 27.10.2023 – 6 U 77/23 - Hautunterspritzungen mit Hyaluron-Säure).


Dabei kommt es nicht darauf an, dass die medizinische Indikation für den beworbenen Eingriff tatsächlich vorlag. Eine Werbung für plastische Chirurgie ist bereits dann verboten, wenn der angesprochene Verkehr nicht erkennen konnte, dass ein operativer plastisch-chirurgischer Eingriff medizinisch nicht notwendig war. Eine Gegenüberstellung von Vorher-/Nachher-Bildern spricht für einen medizinisch nicht notwendigen Eingriff, wenn nicht erkennbar ist, dass sich die krankhaften Beschwerden des dargestellten Patienten verbessert haben (OLG Düsseldorf, Urteil vom v. 27.04.2023 – 20 U 66/22 - Verkehrsverständnis bei Werbung für chirurgischen Eingriff der Fettabsaugung an Bauch und Brust).


Verbot der Werbung für nicht notwendige Chirurgie gegenüber Kindern und Jugendlichen

Verboten sind auch Werbemaßnahmen für operativen plastisch-chirurgischen Eingriffe, die sich ausschließlich oder überwiegend an Kinder und Jugendliche richten.

Verbot der Werbung gegenüber dem allgemeinen Publikum für bestimmte andere Mittel Verfahren und Behandlungen nach § 12 II HWG


Werbung für Heilmittel an Adressaten außerhalb der Fachkreise ist nach § 12 HWG auch verboten für andere Mittel, Verfahren, Behandlungen oder Gegen-stände, die sich auf die Erkennung, Beseitigung oder Linderung der in der Anla-ge A zu § 12 HWG (siehe oben … ) aufgeführten Krankheiten oder Leiden be-ziehen. Ausgenommen hiervon ist Werbung für Verfahren oder Behandlungen zur Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen durch Ärztinnen und Ärzte und Werbung in Heilbädern, Kurorten und Kuranstalten

Werbung für Fernbehandlungen nach § 9 HWG per Telefon, Video-Chat oder App


§ 9 HWG verbietet Werbung, nicht die Fernbehandlung

Nach § 9 HWG ist eine Werbung für Fernbehandlung nur dann erlaubt, wenn nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem Patienten nicht erforderlich ist. § 9 HWG verbietet nicht die Fernbehandlung an sich, sondern nur die Werbung hierfür (OLG München, Urteil v. 9.7.2020 - 6 U 5180/19 - Werbung für ärztliche Fernbehandlung per App). Deshalb kommt es nicht darauf an, ob die beworbene Behandlung, z.B. durch ausländische Ärzte, überhaupt berufsrechtlich zulässig ist (BGH, Urteil v. 9.12.2021 - I ZR 146/20 - Werbung für Fernbehandlung).


Anerkannte fachliche Standards

Ob ein persönlicher Kontakt mit dem Patienten entbehrlich und die Fernbehandlung erlaubt ist, entscheiden die “anerkannten fachlichen Standards“. Was ein anerkannter fachlicher Standard ist, richtet sich nach § 630a II BGB. Danach gibt ein fachlicher Standard Auskunft darüber, welches Verhalten von einem gewissenhaften und aufmerksamen Arzt in der konkreten Behandlungssituation aus der berufsfachlichen Sicht seines Fachbereichs im Zeitpunkt der Behandlung erwartet werden kann. Er repräsentiert den jeweiligen Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und der ärztlichen Erfahrung, der zur Erreichung des ärztlichen Behandlungsziels erforderlich ist und sich in der Erprobung bewährt hat (BGH, Urteil v. 9.12.2021 - I ZR 146/20 - Werbung für Fernbehandlung). Anerkannten fachlichen Standards sind die Leitlinien medizinischer Fachgesellschaften und die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses gemäß § § 92, SGB V, § 136 SGB V. Auch unabhängig davon können sich fachliche Standards bilden (OLG München, Urteil v. 5.10.2021 - 29 U 7344/21 - Irische Impotenzfernbehandlung).

Auf berufsrechtliche Bestimmungen in den ärztlichen Berufsordnungen kommt es allerdings schon deshalb nicht an, weil die Muster-Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte in den Bundesländern nicht einheitlich umgesetzt wurde (BGH v. 9.12.2021 – I ZR 146/20 – Werbung für Fernbehandlung).


Auf Einschränkungen muss man schon in der Werbung hingeweisen

Einschränkungen der beworbenen Fernbehandlung auf solche Behandlungen, für die ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem Patienten nicht erforderlich ist, müssen schon in der Werbung und nicht etwa als Hinweis auf einer verlinkten Zielseite (Landing Page) erscheinen (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil v. 22.12.2022 – 4 U 262/22 - Werbung eines Marktplatzbetreibers von Internet-Apotheken für Inanspruchnahme ärztlicher Videosprechstunden).


Beispiele für Verstöße gegen § 9 HWG:

•   Es entspricht nicht den allgemein anerkannten fachlichen Standards, ohne persönlichen ärztlichen Kontakt per App Erektionsstörungen, Haarausfall oder vorzeitigen Samenergusses bei Männern zu diagnostizieren oder zu behandeln, vor allem wenn eine Medikamentenverordnung wahrscheinlich ist (OLG München, Urteil v. 5.10.2021 - 29 U 7344/21 - Irische Impotenzfernbehandlung).
•   Auch für eine Behandlung für "Alltagsleiden", wie grippale Infekte, Verdauungsbeschwerden und Hauterkrankungen darf nicht ohne weiteres mit einer Fernbehandlung geworben werden (vgl. BGH, Urteil v. 9.12.2021 - I ZR 146/20 - Werbung für Fernbehandlung).
•   Eine Werbung für pauschale (krankheitsunspezifische) ärztliche Videosprechstunden ist unzulässig (OLG Karlsruhe, Urteil v. 22.12.2022 – 4 U 262/22 - Werbung eines Marktplatzbetreibers von Internet-Apotheken für Inanspruchnahme ärztlicher Videosprechstunden).
•   Die Werbung einer Krankenversicherung für einen „digitaler Arztbesuch“, bei dem Versicherten über eine Smartphone-App Ärzte in der Schweiz kontaktieren können, verstößt gegen § 9 HWG (BGH v. 9.12.2021 – I ZR 146/20 – Werbung für Fernbehandlung).
•   Die Ausstellung von Rezepten für verschreibungspflichtigen Arzneimit-teln über eine Internetweite durch Ärzte, die den Patienten nicht bereits zuvor behandelt haben, verstößt gegen § 9 HWG (OLG Hamburg v. 15.8.2023 – 5 U 93/2 - Rezeptservice).

Abmahnung wegen unzulässiger Werbung Verfahren und Gegenständen

 

Verstoß gegen das HWG wegen unzulässiger Werbung für Verfahren und Behandlungen

 

Abmahnungen von Mitbewerbern und Verbänden

 

Mitbewerber und Verbände wehren sich oft gegen Verstöße gegen HWG ab beanstanden diese mit einer Abmahnung im Wettbewerbsrecht. Hier kommt es auf Details an. Sprechen Sie uns an.

Ihr Rechtsanwalt 

Thomas Seifried, Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz

Rechtsanwalt für Heilmittelwerberecht Thomas Seifried hat über 20 Jahre Erfahrung im Wettbewerbsrecht mit zahlreichen nachgewiesenen Erfolgen und ist seit 2007 auch Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz. Er berät und vertritt seit vielen Jahren Unternehmen der Gesundheits- und Kosmetikbranche.


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