Für Arzneimittelmarken gelten im Grunde die gleichen Grundsätze, wie für andere Marken auch. Allerdings gibt es im Arzneimittelbereich eine Tendenz zu "sprechenden" Arzneimittelbezeichnungen. Ausnahmen gibt es bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr als Voraussetzung einer Markenrechtsverletzung.
Die Unterscheidungskraft (auch „Kennzeichnungskraft“) ist die Eignung eines Zeichens, die Produkte eines Unternehmens von denjenigen eines anderen Unternehmens zu unterscheiden. Die Unterscheidungskraft bewirkt, dass ein Zeichen überhaupt als Herkunftshinweis aufgefasst wird. Sie bestimmt letztlich die „Stärke“ einer Marke. Folglich tritt die Gefahr für Verletzungen bei Marken und
Unternehmenskennzeichen mit einer hohen Unterscheidungskraft eher ein.
Die Unterscheidungskraft ist bei Marken und Unternehmenskennzeichen auch eine Voraussetzung für die Schutzfähigkeit.
Markenanmeldungen für Zeichen ohne Unterscheidungskraft werden von den Markenämtern zurückgewiesen.
Beispiele
Im Arzneimittelbereich werden bevorzugt „sprechende Bezeichnungen“ gewählt, die dem Fachpublikum, vor allem Apothekern und Ärzten, Hinweise auf den Wirkstoff und das Anwendungsgebiet sollen (EuG v. 20.9.2018 – T-266/17 – Kwizda Holding/EUIPO). Solche Bezeichnungen werden von der Rechtsprechung meistens noch als durchschnittlich unterscheidungs-kräftig angesehen.
Beispiel
Trotz des deutlichen Hinweises in der Marke „Diclac“ auf den Wirkstoff „Diclofenac“ liegt eine normale, d. h. nicht geschwächte Unterscheidungskraft vor (BPatG v. 27.4.2016 – 25 W (pat) 536/13 – Diclo/Diclac).
Bisweilen ist aber der beschreibende Anklang derart offensichtlich, dass die Unterscheidungskraft ganz fehlt:
Beispiele
Diese Grundsätze gelten auch für Nahrungsergänzungsmittel:
Beispiel
Die Bezeichnung „PRONATURA“ hat für Nahrungsergänzungsmittel nur eine sehr geringe Unterscheidungskraft mit der Folge, dass die Marke nur einen geringen Schutzumfang hat.
Voraussetzung einer Markenrechtsverletzung ist auch hier (Ausnahme: Verletzung bekannter Marken) die "markenmäßige Benutzung".
Beispiele für markenmäßige Benutzungen von Arzneimittelmarken:
Die Eintragung eines Arzneimittels unter seiner Marke in die „Lauer-Taxe“ ist bereits eine markenmäßige Benutzung, jedenfalls solange dieses darin nicht mit „außer Vertrieb“ gekennzeichnet ist (OLG Köln v. 25.7.2014 – 6 U 197/13 – Markenmäßige Benutzung (L-Thyrox).
Eine Bezugnahme auf einen medizinischen Vortrag mit dem Titel „Bewegte Medizin“ ist keine markenmäßige Benutzung dieser Bezeichnung (OLG Nürnberg v. 15.2.2022 – 3 U 2794/21 – Bewegte Medizin).
Im Gesundheitsbereich, besonders bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln, gilt ein erhöhter Aufmerksamkeitsgrad: Sowohl Verbraucher als auch das Fachpublikum (z. B. Ärzte) nehmen Unterschiede eher wahr, so dass eine Verwechslungsgefahr tendenziell leichter verneint wird (BPatG v. 18.10.2017 – 25 W (pat) 11/16 – REPAMUN/RAPUMINE; EuG v. 20.9.2018 – T-266/17 – Kwizda Holding/EUIPO).
Das Herstellen oder Inverkehrbringen von
Arzneimitteln mit irreführenden Bezeichnungen ist nach § 8 AMG verboten. Das Inverkehrbringen umfasst auch die Werbung (§ 4 XVII AMG). Angesichts der Bedeutung des Rechtsguts Gesundheit und der mit falschen Erwartungen an Arzneimittel verbundenen Gesundheitsrisiken müssen nach dem
„Strengeprinzip“ Bezeichnungen von Arzneimittel besonders wahr, eindeutig und klar sein (OVG Münster v. 17.6.2013 – 13 A 1113/11; BGH v. 6.2.2013 – I ZR 62/11 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil).
Bei Namen, Marken oder Bezeichnungen von Waren, die sich aus mehreren Bestandteilen zusammensetzen, misst der Verbraucher dem – typischerweise vorangestellten – Hauptbestandteil häufig eine besondere Bedeutung für die Art bzw. Qualität der jeweiligen Ware zu. Wenn der Hauptbestandteil einer mehrteiligen Bezeichnung aus einer Dachmarke besteht, die seit mehreren Jahren für bestimmte Arzneimittel genutzt wird, besteht die Gefahr, dass Verbraucher, die ein solches Präparat dieser Marke kennen, ein dieselbe Hauptbezeichnung führendes (neues) Arzneimittel hinsichtlich seines Anwendungsgebiets und seiner therapeutischen Wirksamkeit als zumindest als ähnlich wahrnehmen und daher getäuscht werden.
Beispiel (OVG Münster v. 17.6.2013 – 13 A 1113/11; vgl. auch OLG Frankfurt/M. v. 22.5.2020 – 6 U 23/20 – Präsentationsarzneimittel)
Ein Hersteller vertreibt verschiedene dermatologische Arzneimittel seit Jahrzehnten unter einer einheitlichen Dachmarke. Einziger Wirkstoff ist ein Antihistaminikum. Außerdem vertreibt der Hersteller eine arzneiliche Creme gegen Lippenherpes, dessen einziger Wirkstoff das antivirale Penciclovir ist. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) lehnte die Nutzung der Dachmarke für dieses Präparat ab: Die Nutzung unter derselben Dachmarke bei abweichendem Wirkstoff sei irreführend. Denn bei der neuen Bezeichnung gehe ein erheblicher Teil der Verbraucher aufgrund der Dachmarke davon aus, dass dieses Arzneimittel therapeutische Wirkungen entfalte, die denen der übrigen antihistaminen Präparate mindestens ähnelten. Eine solche Ähnlichkeit liege aber tatsächlich nicht vor. Während die meisten Dachmarkenpräparate für die Bekämpfung allergischer Reaktionen als Wirkstoff ein Antihistaminikum enthalte, befände sich in der Creme gegen Lippenherpes allein der antivirale Wirkstoff Penciclovir.
Autor: Thomas Seifried, Rechtsanwalt für Markenrecht und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz
Die Nutzung von markenrechtsverletzenden Arzneimittelmarken können von den Inhabern älterer Rechte abgemahnt werden. Die Nutzung irreführenden Arzneimittelmarken wiederum kann von Mitbewerbern, qualifizierten Wirtschaftsverbänden (z.B. dem Verband Sozialer Wettbewerb e.V. oder der Wettbewerbszentrale) und qualifizierten Einrichtungen mit Abmahnungen im Wettbewerbsrecht und einstweiligen Verfügungen verfolgt werden. Hier kommt es auf Details an. Sprechen Sie uns an.
Autor: Thomas Seifried, Rechtsanwalt für Markenrecht und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz
Anwalt Markenrecht Thomas Seifried hat über 20 Jahre Erfahrung im Markenrecht mit zahlreichen bemerkenswerten Erfolgen und ist seit 2007 auch Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz. Er berät und vertritt seit vielen Jahren Unternehmen der Gesundheits- und Kosmetikbranche.
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