Für Werbung, in denen für Produkte mit Eigenschaften beworben werden, die Einfluss auf die Gesundheit haben, gelten die besonders strenge Regeln der "gesundheitsbezogenen Werbung". Diese Regeln dürfen nicht verwechselt werden mit den "gesundheitsbezogenen Angaben" ("health claims") der HCVO für Lebensmittel. Denn die Grundsätze der gesundheitsbezogenen Regeln hat die Rechtsprechung zum Wettbewerbsrecht aufgestellt und sie gelten generell für alle Produktgruppen: Werbung, in denen eine gesundheitsfördernde oder krankheitslindernde Wirkungen eines Produkts behauptet wird, muss dem sog. Strengeprinzip“ entsprechen (siehe unten). Diese Grundsätze gelten nicht nur für die besonders reglementierte Werbung für Lebensmittel, Werbung für Lebensmittel mit nährwert- oder gesundheitsbezogenen Angaben nach der HCVO, Werbung für Nahrungsergänzungsmittel und der Werbung für Arzneimittel, sondern für jede Produktwerbung, die sich auf die Gesundheit bezieht.
Gesundheitsbezogen ist eine Werbung, sobald in dieser die Gesundheit ins Spiel gebracht wird (BGH v. 3.5.2001 – I ZR 318/98 – Das Beste jeden Morgen). Sie ist es aber auch dann, wenn es nicht um gesundheitlichen, sondern um ästhetische Ziele geht, wenn bei der Behandlung in die körperliche Integrität eingegriffen wird, beispielsweise eine Fettentfernung durch eine Kryolipolyse-Behandlung (OLG München v. 5.7.2018 – 29 U 1866/17 – Bye-bye-Hüftgold). Gesundheitsbezogene Werbung muss dem "Strengeprinzip" entsprechen.
Das "Strengeprinzip" besagt: Generell und unabhängig vom Anwendungsbereich des HWG oder der HCVO ist gesundheitsbezogene Werbung irreführend, wenn die behauptete Wirkung nicht gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen entspricht oder wenn mit einer fachlich umstrittenen Meinung geworben wird, ohne die Gegenmeinung zu erwähnen (BGH, Urteil v. 6.2.2013 – I ZR 62/11 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil). Studienergebnisse, die in der Werbung oder im Prozess als Beleg einer gesundheitsbezogenen Aussage angeführt werden, sind nur dann hinreichend aussagekräftig, wenn sie nach den anerkannten Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forschung durchgeführt und ausgewertet wurden.
Dafür ist nach dem sogenannten „wissenschaftlichen Goldstandard“ erforderlich, dass eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung vorliegt, die durch Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 2.10.2008 - I ZR 51/06 – Priorin). Die Studie muss das beworbene Produkt betreffen und die Werbeaussage stützen. In der Studie genannte Zweifel an der Wirksamkeit müssen auch in der Werbung genannt werden (OLG Karlsruhe, Urteil vom 25.01.2023 – 6 U 373/22 - Ableitung von Elektrosmog durch Erdungsbetttuch).
Eine wissenschaftliche Studie muss neutral sein. Einer Neutralität steht es nicht entgegen, wenn die Studie von dem Hersteller selbst gesponsert wurde. Denn es wäre unzumutbar, wenn ein Unternehmen jeweils ein wissenschaftliches Interesse abwarten müsste. Zweifel an der Neutralität entstehen aber, wenn das Design der Studie näher mit dem Hersteller abgesprochen wird (vgl. KG Berlin, Urt. v. 27. 11. 2015 – 5 U 20/14 - Irreführende Werbung mit der Dauerhaftigkeit eines Therapieerfolges für Cellulite-Behandlungen).
Werbung für gesundheitsbezogene Produkte ist rechtlich besonders reglementiert. Die Rechtsprechung stellt hohe Anforderungen an gesundheitsbezogene Aussagen. Werbung für Arzneimittel und andere Heilmittel, Medizinprodukte, Nahrungsergänzungsmittel, bilanzierte Diäten und Kosmetika ist außerdem durch spezielle Gesetze und Verordnungen eingeschränkt. Die Gefahr von Abmahnungen und Rechtsstreitigkeiten ist bei diesen Produkten besonders hoch. Das Buch stellt die aktuelle Rechtslage anhand mehrerer hundert Beispielen aus der Rechtsprechung dar.
1. Auflage November 2024, 408 Seiten, XchangeIP Verlag, erhältlich im Buchhandel oder bei Amazon
ISBN 978-3-00-079406-3
Das "Strengeprinzip" besagt: Generell und unabhängig vom Anwendungsbereich des HWG ist gesundheitsbezogene Werbung irreführend, wenn die behauptete Wirkung nicht gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen entspricht oder wenn mit einer fachlich umstrittenen Meinung geworben wird, ohne die Gegenmeinung zu erwähnen (BGH, Urteil v. 6.2.2013 – I ZR 62/11 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil). Studienergebnisse, die in der Werbung oder im Prozess als Beleg einer gesundheitsbezogenen Aussage angeführt werden, sind nur dann hinreichend aussagekräftig, wenn sie nach den anerkannten Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forschung durchgeführt und ausgewertet wurden.
Dafür ist nach dem sogenannten „wissenschaftlichen Goldstandard“ erforderlich, dass eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung vorliegt, die durch Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 2.10.2008 - I ZR 51/06 – Priorin). Die Studie muss das beworbene Produkt betreffen und die Werbeaussage stützen. In der Studie genannte Zweifel an der Wirksamkeit müssen auch in der Werbung genannt werden (OLG Karlsruhe, Urteil vom 25.01.2023 – 6 U 373/22 - Ableitung von Elektrosmog durch Erdungsbetttuch).
Eine wissenschaftliche Studie muss neutral sein. Einer Neutralität steht es nicht entgegen, wenn die Studie von dem Hersteller selbst gesponsert wurde. Denn es wäre unzumutbar, wenn ein Unternehmen jeweils ein wissenschaftliches Interesse abwarten müsste. Zweifel an der Neutralität entstehen aber, wenn das Design der Studie näher mit dem Hersteller abgesprochen wird (vgl. KG Berlin, Urt. v. 27. 11. 2015 – 5 U 20/14 - Irreführende Werbung mit der Dauerhaftigkeit eines Therapieerfolges für Cellulite-Behandlungen).
Gesundheitsbezogene Werbung ist auch irreführend, wenn mit einer fachlich umstrittenen Meinung geworben wird, ohne die Gegenmeinung zu erwähnen (BGH v. 6.2.2013 – I ZR 62/11 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil). In der Studie genannte Zweifel an der Wirksamkeit müssen auch in der Werbung genannt werden. Diese Grundsätze gelten besonders auch für die Arzneimittelwerbung.
Die wissenschaftliche Absicherung des Wirkungsversprechens muss bereits
im Zeitpunkt der Werbung dokumentiert worden sein (OLG Hamburg v. 23.6.2022 – 5 U 173/19, Rz. 166 – Ganzkörperkältetherapie; OLG Frank-furt/M. v. 2.12.2021 – 6 U 121/20, Rz. 46 – Heilerde zur Entgiftung; OLG Saarbrücken v. 19.12.2018 – 1 U 41/18 – Salzgrotte Maritim Air; OLG Hamm v. 20.5.2014 – 4 U 57/13, Rz. 78; OLG München v. 14.5.2009 – 6 U 2187/06, Rz. 94; OLG Düsseldorf v. 13.11.2007 – 20 U 172/06, Rz. 21 ). Das Einholen eines Sachverständigengutachtens erst in einem gerichtlichen Verfahren reicht nicht aus. Ein Verzicht auf diese Bedingung wäre für den Werbenden ein Freibrief, auf Kosten der Gesundheit potenzieller Patienten quasi "Roulette zu spielen"(OLG Saarbrücken v. 19.12.2018 – 1 U 41/18 – Salzgrotte Maritim Air).
Autor: Thomas Seifried, Anwalt für Heilmittelwerberecht und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz
Irreführende gesundheitsbezogene Werbung kann von Mitbewerbern, qualifizierten Wirtschaftsverbänden (z.B. dem Verband Sozialer Wettbewerb e.V. oder der Wettbewerbszentrale) und qualifizierten Einrichtungen mit Abmahnungen im Wettbewerbsrecht und einstweiligen Verfügungen verfolgt werden.
Dem Verband gehören unter anderem Apothekerkammern, Ärztekammern, der Verband Deutscher Versandapotheken, Versandhändler aller Art, Sanitätshäuser mit Reform- und Drogerieprodukten, Heilpraktiker, Hersteller von Arzneimitteln udn Kosmetika, Betreiber von Kurkliniken, Anbieter von Naturheilmittel, von pharmazeutischen Produkten und Unternehmen aus der Lebensmittelbranche an. Der Verband sozialer Wettbewerb e. V. rügt vor allem Verstöße im Bereich Lebensmittel, Heilmittel, Kosmetik, Gesundheit und Wellness. Der Verband setzt kurze Fristen zur Abgabe einer
strafbewehrten Unterlassungserklärung. Dennoch sollten Unterlassungserklärungen nicht vorschnell unterschrieben werden. Hier hilft ein Anwalt für Heilmittelwerberecht. Der Verband sozialer Wettbewerb fordert Verstöße gegen eine einmal abgegebene Unterlassungserklärung konsequent ein.
Rechtsanwalt Thomas Seifried hat über 20 Jahre Erfahrung im Wettbewerbsrecht und Werberecht und ist seit 2007 auch
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz. Seine Mandanten sind Unternehmen, vom Start-Up bis zum börsennotierten Unternehmen, darunter Apotheker, Unternehmen der Gesundheitsbranche und der Kosmetikbranche. Thomas Seifried ist Autor des Praktikerhandbuchs zum Werberecht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Nahrungsergänzungsmittel und Kosmetika
"Rechtssicher werben für Gesundheit und Schönheit" und schreibt regelmäßig Beiträge zum Werberecht für Fachzeitschriften, beispielsweise für die Zeitschriften "HORIZONT" oder auf
heise.de. Er berät und vertritt als Anwalt für Heilmittelwerberecht bundesweit Unternehmen außergerichtlich und gerichtlich, insbesondere in
einstweiligen Verfügungsverfahren mit
bemerkenswerten Erfolgen vor Landgerichten und Oberlandesgerichten.
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