Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke („bilanzierte Diäten“, „Food for Special Medical Purposes“ – FSMP) sollen den erhöhten Nährstoffbedarf von Patienten mit einer befürchteten oder bestehenden Mangelernährung decken. Werbung für solche Lebensmittel muss den Anforderungen der Verordnung (EU) Nr. 609/2013 über Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke genügen.
Die Vorschriften der Verordnung (EU) Nr. 609/2013 sind Vertriebsbestimmungen, die dem Schutz der Gesundheit der Verbraucher zumindest mittelbar die-nen. Ein Produkt darf als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke nur beworben und vertrieben werden, wenn es die gesetzlichen Anforderungen an ein Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke erfüllt.
Während für Lebensmittel krankheitsbezogene Aussagen grundsätzlich unzulässig sind, sind für Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke bereits bestimmte Angaben gesetzlich vorgeschrieben, die sich auf Krankheiten, Störungen und Beschwerden beziehen. Dieser Hinweis ist einerseits bei der Abgrenzung von Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke und Arzneimitteln zu beachten. Andererseits wirken sich diese Angaben auch auf das Verbot nach Art. 9 V der Verordnung (EU) Nr. 609/2013 über Lebensmittel besondere medizinische Zwecke aus, wonach Werbung von Lebensmitteln für besondere medizinische Zwecke diesen Erzeugnissen keine Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreiben darf. Denn sonst wäre diese Vorschrift be-reits durch die Einhaltung der gesetzlichen Hinweispflichten verletzt.
Die Verordnung (EU) Nr. 609/2013 über Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke wird zum einen ergänzt um die Delegierte Verordnung (EU) 2016/128. Zum anderen wird sie seit dem 29.4.2023 ergänzt durch die Verord-nung über Lebensmittel für bestimmte Verbrauchergruppen (Lebensmittel für bestimmte Verbrauchergruppen-Verordnung – LMBVV), die die Diätverordnung abgelöst hat. Die LMBVV stellt bestimmte Anforderungen an die Herstellung und das Inverkehrbringen von Lebensmitteln für bestimmte Verbrauchergruppen. Außerdem ergänzt sie die Lebensmittel für besondere Zwecke-VO, beispielsweise zu Kräuter- und Früchtetee für Säuglinge oder Kleinkinder. Für den Bereich der Werbung verweist die LMBVV wiederum auf die der Verordnung (EU) Nr. 609/2013 über Lebensmittel besondere medizinische Zwecke (§ 7 III LMBVV).
Werbung für gesundheitsbezogene Produkte ist rechtlich besonders reglementiert. Die Rechtsprechung stellt hohe Anforderungen an gesundheitsbezogene Aussagen. Werbung für Arzneimittel und andere Heilmittel, Medizinprodukte, Nahrungsergänzungsmittel, bilanzierte Diäten und Kosmetika ist außerdem durch spezielle Gesetze und Verordnungen eingeschränkt. Die Gefahr von Abmahnungen und Rechtsstreitigkeiten ist bei diesen Produkten besonders hoch. Das Buch stellt die aktuelle Rechtslage anhand mehrerer hundert Beispielen aus der Rechtsprechung dar.
Aus dem Inhalt:
1. Auflage November 2024, 408 Seiten, XchangeIP Verlag, erhältlich im Buchhandel oder bei Amazon
ISBN 978-3-00-079406-3
Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke sind nach der gesetzlichen Definition des Art. 2 II g) der Verordnung (EU) Nr. 609/2013 über Lebensmittel besondere medizinische Zwecke
• Lebensmittel, die unter ärztlicher Aufsicht für das Diätmanagement von Patienten mit einem sonstigen medizinisch bedingten Nährstoffbedarf verwendet werden sollen. Gemeint sind damit Patienten, deren Aufnah-me, Verdauung, Resorption, Verstoffwechslung oder Ausscheidung ge-wöhnlicher Lebensmittel oder bestimmter darin enthaltener Nährstoffe oder Stoffwechselprodukte eingeschränkt, behindert oder gestört ist und die
• in spezieller Weise verarbeitet oder formuliert werden; sie sind zur ausschließlichen oder teilweisen Ernährung von Patienten bestimmt ist, für deren Diätmanagement die Modifizierung der normalen Ernährung allein nicht ausreicht.
Der Hinweis, dass ein Produkt nur unter ärztlicher Aufsicht zu verwenden ist, hat bei freiverkäuflichen Produkten grundsätzlich keine Auswirkungen darauf, dass es als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke beworben werden darf. Es ist bei freiverkäuflichen Produkten keineswegs ausgemacht, dass ein Verbraucher vor der Einnahme eines Produkts einen Arzt fragt, insbesondere, wenn es für einen großzügig formulierten Anwendungsbereich beworben wird (vgl. OLG Köln v. 28.2.2024 – 6 U 102/23 – Diätetisches Lebensmittel für Herzerkrankungen).
Der Begriff „Diätmanagement“ meint einen Bedarf, der durch eine Krankheit, eine Störung oder eine Beschwerde verursacht wird und den die Patienten unter Ernährungsgesichtspunkten zwingend decken müssen. Der Zweck eines Le-bensmittels für besondere medizinische Zwecke beschränkt sich nicht auf Ver-dauungsschwierigkeiten. Ein Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke kann vielmehr auch für die Aufnahme, die Resorption, die Verstoffwechslung oder die Ausscheidung bestimmt sein. Ob der Erfolg des „Diätmanagements“ während der Verdauung eintritt, ist für die Qualifizierung eines Produkts als Le-bensmittel für besondere medizinische Zwecke unerheblich. Es kann auch so konzipiert sein, dass es mechanische oder neurologische Mängel ausgleicht, die die Patienten daran hindern, genügend Lebensmittel zu sich zu nehmen (EuGH v. 2.3.2023 – 760/21 – Kwizdi Pharma/Landeshauptmann).
Ein sonstiger medizinisch bedingter Nährstoffbedarfs erfordert, dass durch eine Krankheit ein erhöhter oder spezifischer Nährstoffbedarf besteht, der durch das Lebensmittel gedeckt werden soll. Hierfür reicht es nicht aus, dass dem Patien-ten ganz allgemein die Aufnahme dieses Lebensmittels nützt, weil darin enthal-tene Stoffe die Störung oder deren Symptome lindert. Ein Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke muss vielmehr gerade den Ernährungsanforde-rungen entsprechen, die durch eine spezifische Krankheit, eine spezifische Störung oder durch spezifische Beschwerden entstehen (EuGH v. 27.10.2022 – C-418/21 – Orthomol/Verband Sozialer Wettbewerb).
Die positive Auswirkung eines Produkts auf die Gesundheit darf nicht lediglich eine Begleiterscheinung sein. Die in dem Erzeugnis enthaltenen Nährstoffe müssen vielmehr spezifisch denjenigen Nährstoffmangel beheben helfen, den die Krankheit, Störung oder Beschwerde hervorruft.
Zunächst ist die Indikation des Erzeugnisses entscheidend. Das Einsatzgebiet ei-nes Lebensmittels für besondere medizinische Zwecke muss zwingend spezifiziert sein. Schon ein zu weit gefasster Oberbegriff kann dazu führen, dass ein Erzeugnis als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke nicht verkehrsfähig ist und daher als solches auch nicht beworben werden darf.
Beispiel (OLG Köln v. 28.2.2024 – 6 U 102/23 – Diätetisches Lebensmittel für Herzerkrankungen)
Ein Produkt wurde beworben mit der Aussage:
„T. complex ist eine bilanzierte Diät mit Kalium, Magnesium, Folsäure, Vi-tamin B12, Niacin und Coenzym Q10 zum Diätmanagement von Herzer-krankungen, insbesondere Herzrhythmusstörungen“.
Der Oberbegriff Herzerkrankungen war deutlich zu weit gefasst. „Herzerkrankungen“ beziehen sich auf eine Vielzahl von Erkrankungen mit unter-schiedlichen Symptomen und Bedürfnissen, beispielsweise koronare Herzkrankheit (KHK), Angina pectoris, eine Fallot-Tetralogie, Myocarditis, Peri-karditis, ein Herzinfarkt sowie diverse Herzklappenfehler. Diese Erkrankungen lösen unterschiedliche Nährstoffbedürfnisse aus. Ein so beworbenes Produkt darf als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke nicht in den Verkehr gebracht werden. Aus diesem Grund war auch die Werbung hierfür unzulässig.
Bei Nährstoffmangel ist das Verhältnis von Ursache und Wirkung zu beachten: Die Krankheit oder Störung muss den erhöhten oder spezifischen Nährstoffbedarf erfordern und nicht umgekehrt. Der Nährstoffmangel selbst ist keine solche Störung.
Beispiele
• Ein Nahrungsergänzungsmittel wurde als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke beworben mit den Worten:
„C ist ein diätisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diät), ... C zum Diätmanagement bei nutritiv bedingten Im-mundefiziten (z. B. bei rezidivierenden Atemwegsinfekten)“.
Diese Angaben waren unzulässig. Das Lebensmittel soll helfen, das Immundefizit und nicht eine spezifische Krankheit oder Störung zu heilen (OLG Düsseldorf v. 24.8.2023 – I-20 U 178/20, 20 U 178/20 – Orthomol II).
• Ein Produkt
„zum Diätmanagement bei arthrotischen Gelenkveränderungen“
ist kein Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke, weil arthrotische Gelenkveränderungen nicht zu einer eingeschränkten, behinderten oder gestörten Fähigkeit zur Aufnahme, Verdauung, Resorption, Verstoffwechslung oder Ausscheidung gewöhnlicher Lebensmittel oder bestimmter darin enthaltener Nährstoffe oder Stoffwechselprodukte führen (LG Hamburg v. 23.3.2023 – 416 HKO 74/21).
• Folgende Werbung mit der Aussage ist unzulässig:
"Arginin plus Folsäure Kapseln wurden nach neuesten ernährungs-wissenschaftlichen Erkenntnissen für Erwachsene mit Bluthochdruck entwickelt und sind auf die speziellen Ernährungserfordernisse dieser Patienten sorgfältig abgestimmt.“
Bluthochdruck führt nicht zu einem erhöhten oder spezifischen Nährstoffbedarf. Vielmehr ist ein Nährstoffmangel (mit-)ursächlich für die Krankheit und Störung (OLG Düsseldorf v. 28.9.2023 – I-20 U 320/22 – Arginin plus Folsäure).
Eine Modifizierung der Ernährung für den Patienten allein reicht nicht aus, wenn entweder der Patient seine gewöhnliche Ernährung unmöglich oder nur sehr schwer ändern kann oder wenn der Patient nur sehr schwer seinen Ernährungsbedarf durch den Verzehr gewöhnlicher Lebensmittel decken kann. (EuGH v. 2.3.2023 – 760/21 – Kwizdi Pharma/Landeshauptmann).
Ob ein Erzeugnis zur Ernährung von Patienten bestimmt ist, für deren Diätma-nagement die Modifizierung der normalen Ernährung allein nicht ausreicht, hängt auch davon ab, ob die auf dem Markt erhältlichen Nahrungsergänzungsmittel einen etwaigen Nährstoffbedarf decken können. Wenn das das Fall ist, deutet dies darauf hin, dass ein Produkt kein Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke ist (OLG Celle v. 26.10.2020 – 13 U 44/20 – Vertrieb eines Produkts mit dem Wirkstoff Curcumin als „Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke“ (Ashwagandha).).
Der Begriff der Nährstoffe richtet sich nach Art. 2 II s) LMIV (EuGH v. 2.3.2023 – 760/21 – Kwizdi Pharma/Landeshauptmann). Danach sind Nährstoffe Eiweiße, Kohlenhydrate, Fett, Ballaststoffe, Natrium, Vitamine und Mineralstoffe, die in Anhang XIII Teil A Nr. 1 Verordnung aufgeführt sind, sowie Stoffe, die zu einer dieser Klassen gehören oder Bestandteil einer dieser Klas-sen sind. Bakterien sind keine Nährstoffe.
Beispiel (BGH v. 13.7.2023 – I ZR 68/21 – Bakterienkulturen)
Ein Produkt „zum Diätmanagement“ bei Reizdarmsyndrom (RDS), Colitis Ulcerosa und Pouchitis (CU), atopischer Dermatitis (ATOP) und sympto-matisch unkomplizierter Divertikelkrankheit (SUP) enthält in Kapseln ver-packt vermehrungsfähige, natürlicherweise im menschlichen Darm vor-kommende Bakterienkulturen. Solche Produkte sind keine Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke, weil sie keinen Nährstoffbedarf decken.
Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke können auch als Arzneimittel eingeordnet werden, womit sie dem Regime des Arzneimittelrechts unterfallen (zur grundsätzlichen Abgrenzung von Lebensmitteln und Arzneimitteln).
Als Faustformel gilt: Ein Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke zielt darauf ab, einen Patienten zu ernähren. Ein Arzneimittel zielt darauf ab, einen Patienten zu heilen. Dabei ist zwischen dem krankheitsbedingtem Nährstoffbedarf und der Krankheit selbst zu unterscheiden. Ein Produkt, das eine Behand-lung der Krankheit selbst verspricht, ist kein Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke, sondern ein Arzneimittel.
Beispiele
• Ein Produkt, das mit der Angabe
„Zum Diätmanagement bei chronischen Erschöpfungszuständen (Müdigkeit, Burnout)“
beworben wird, ist kein Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke, weil es nicht einen durch die Krankheit kausal verursachten spezifischen Ernährungsbedarf deckt, sondern weil es um die Behandlung der Krankheit selbst geht (OLG München v. 30.11.2023 – 29 U 926/21 – Neurostress und Burnout).
• Ein Produkt
„Magenschutz Leinsamen“
zur diätischen Behandlung von Schleimhautschädigung des oberen Verdauungstraktes wie Reizmagen, Sodbrennen oder Gastritis ist kein Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke, weil es nicht einen krankheitsbedingten erhöhten oder spezifischen Nährstoffbedarf decken soll, sondern vor der Krankheit schützen und diese behandeln soll (LG München I v. 28.3.2023 – 33 O 3573/22 – Leinsamen).
Allerdings gelten für Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke einige Besonderheiten. Nach Art. 11 I c) der Verordnung (EU) Nr. 609/2013 über Le-bensmittel für besondere medizinische Zwecke i. V. m. Anhang I zu Art. 4 der Delegierten Verordnung (EU) 2016/128 müssen Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke als solche bezeichnet werden, nämlich als
„Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diät)“.
Nach Art. 5 der Delegierten Verordnung (EU) 2016/128 gelten für Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke verschiedene Pflichtangaben mit Bezügen zu einer Krankheit, Störung oder Beschwerde. Beispielsweise ist verpflichtend die Angabe
„Zum Diätmanagement bei …“,
ergänzt durch die Krankheit, die Störung oder die Beschwerde, für die das Erzeugnis bestimmt ist, oder der Hinweis, dass das Erzeugnis unter ärztlicher Aufsicht verwendet werden muss. Solche Pflichthinweise führen nicht zur Zuschreibung einer Arzneimitteleigenschaft und Einordnung als Präsentations-arzneimittel.
Außerdem dienen Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke nicht dazu, menschliche Krankheiten zu verhüten oder zu heilen, die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen. Die diesem Zweck dienenden Lebensmittel sind Arzneimittel (EuGH v. 2.3.2023 – 760/21 – Kwizdi Pharma/Landeshauptmann).
Nach Art. 9 V der Verordnung (EU) Nr. 609/2013 über Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke muss die Werbung Informationen über die angemesse-ne Verwendung dieser Lebensmittel bieten. Die Werbung darf nicht irreführend sein oder diesen Erzeugnissen keine Eigenschaften der Vorbeugung, Behand-lung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreiben oder den Eindruck dieser Eigenschaft erwecken.
Insbesondere muss nach Art. 9 I der Verordnung (EU) Nr. 609/2013 die Zusammensetzung der Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke so be-schaffen sein, dass sie gemäß allgemein anerkannten wissenschaftlichen Daten den Ernährungsanforderungen der Personen, für die sie bestimmt sind, entsprechen und für diese Personen geeignet sind. Der Werbende muss die Behauptung mit anerkannten wissenschaftlichen Daten belegen (Art. 9 I der Verordnung (EU) Nr. 609/2013 über Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke und Art. 2 II der Delegierten Verordnung (EU) 2016/128), nämlich mit einer randomisierten placebokontrollierten Doppelblindstudie (vgl. BGH v. 15.3.2012 – I ZR 44/11 – ARTROSTAR, noch zu § 14b DiätV).
Wichtig ist, dass sich der Nachweis auf die Zusammensetzung des Mittels und nicht nur auf die einzelnen Inhaltsstoffe beziehen muss. Ein Wirksamkeitsnachweis über die Kombination mehrerer Inhaltsstoffe ist aber ohne Erkenntnisse über Wechselwirkungen der kombinierten Stoffe nicht möglich. Auf die Untersuchung solcher Wechselwirkungen kann nicht verzichtet werden, weil die Verwendung mehrerer oder zusätzlicher Inhaltsstoffe mit einer Verschlechterung der ernährungsmedizinischen Wirksamkeit einhergehen und sich die Wirkung einzel-ner Bestandteile im Körper neutralisieren kann (OLG Celle v. 1.7.2021 – 13 U 21/20 – Diätetische Behandlung von Lippenherpes).
Für Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke sind allerdings Pflichthin-weise vorgeschrieben, die auf Krankheiten, Störungen oder Beschwerden hinweisen (siehe oben). Ausgenommen von dem Irreführungsverbot sind daher Hinweise auf Diätmanagement von Krankheiten, Störungen oder Beschwerden, für die das Lebensmittel bestimmt ist (siehe Erwägungsgrund 25 der Lebensmittel für besondere Zwecke-VO).
Erlaubt sind nur solche Aussagen, die den vorgeschriebenen Pflichtangaben entsprechen.
Beispiel (OLG München v. 31.10.2019 – 29 U 2177/19 – Darmbakterien)
Die Aussage
„AAD [für Antibiotika assoziierte Diarrhoe] Plus“
ist unzulässig. Denn zulässig und verpflichtend ist gemäß Art. 5 Abs. 2 e) VO (EU) 2016/128 der Hinweis
„Zum Diätmanagement bei Antibiotika assoziierter Diarrhoe“.
Diese Pflichtangabe sollte gemäß Erwägungsgrund 25 der VO (EU) 609/2013 nicht als Zuschreibung einer Eigenschaft hinsichtlich der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit angesehen werden.
Zulässig sind auch nur solche Aussagen, die sachlich darüber informieren, ob das Produkt aufgrund seiner individuellen Dispositionen für die Anwendung eignet.
Beispiel (KG Berlin v. 25.4.2018 – 5 U 82/17 – Unzulässigkeit krankheitsbezogener Aussagen, noch zu § 21 I Nr. 1 und Nr. 2 DiätV)
Die Aussage
„Dr. […] ist das einzige Naturmittel zur ernährungsmedizinischen Behand-lung von Harnwegs- und Blasenerkrankungen (ergänzende bilanzierte Diät) mit der Zweifach-Kraft und mit ganzen 75 % Erfolg“,
und
„Greift das Blasen-Problem erfolgreich von 2 Seiten an“
sind keine nach Art. 5 II g) der Delegierten Verordnung (EU) 2016/128 zu-lässigen sachlichen Beschreibungen der Eigenschaften, denen das Er-zeugnis seinem Zweck in Bezug auf die Krankheit, Störung oder Be-schwerde verdankt, für deren Diätmanagement es vorgesehen ist.
Für die Werbung für Lebensmitteln für besondere medizinische Zwecke, die für die Ernährungsanforderungen von Säuglingen entwickelt wurden, gelten besondere Regeln. Für solche Produkte darf nur in der Säuglingspflege gewidmeten Veröffentlichungen und in wissenschaftlichen Publikationen geworben werden (Art. 8 IV Delegierte Verordnung (EU) 2016/128).
In der Werbung muss jede Verwechslungsgefahr zwischen Lebensmitteln für besondere medizinische Zwecke, die für die Ernährungsanforderungen von Säuglingen entwickelt wurden, und Säuglingsanfangsnahrung (Definition in Art. 2 I c) der Verordnung (EU) Nr. 609/2013 über Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke) und Folgenahrung (Definition in Art. 2 I d) der Verordnung (EU) Nr. 609/2013 über Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke) vermieden werden. Die Werbung mit Rabatten, Zugaben, Werbege-schenken und Proben ist verboten.
Die Werbung für Lebensmitteln für besondere medizinische Zwecke, die für die Ernährungsanforderungen von Säuglingen entwickelt wurden, dürfen außerdem keine Bilder von Säuglingen oder andere Bilder oder Text enthalten, mit denen die Verwendung des Erzeugnisses idealisiert werden könnte. Zeichnungen zur leichteren Identifizierung des Erzeugnisses und als Illustration der Zubereitungsmethoden sind aber zulässig (Art. 8 II Delegierte Verordnung (EU) 2016/128).
Prüfung anhand der Verordnung (EU) Nr. 609/2013 über Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke und rechtliche Durchsetzung Ihrer Interessen
Autor: Thomas Seifried,
Anwalt für Heilmittelwerberecht und
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz
Mitbewerber und
Verbände wehren sich oft gegen Verstöße gegen die Verordnung (EU) Nr. 609/2013 über Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke und beanstanden diese mit einer
Abmahnung im Wettbewerbsrecht. Hier kommt es auf Details an. Sprechen Sie uns an.
Rechtsanwalt für Heilmittelwerberecht Thomas Seifried hat über 20 Jahre Erfahrung im Wettbewerbsrecht mit zahlreichen nachgewiesenen Erfolgen und ist seit 2007 auch Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz. Er berät und vertritt seit vielen Jahren Unternehmen der Gesundheits- und Kosmetikbranche.
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